Slavoj Žižek sagt, ich sei ein Heuchler. Und Slavoj Žižek ist ein ehrenwerter Mann.

by | Aug 25, 2017 | Wort & Freiheit | 0 comments

Slavoj Žižek 2015

Foto: Amrei-Marie, Quelle: de.wikipedia

«Die größten Heuchler sind fraglos diejenigen, die offene Grenzen fordern: Insgeheim wissen sie, dass es dazu nie kommen wird, weil dies sofort eine populistische Revolte in Europa zur Folge hätte. Sie inszenieren sich als schöne Seelen, die über der korrumpierten Welt stehen, aber letztlich wissen sie ganz genau, dass sie selber Teil davon sind.» (Slavoj Žižek)»

Das, was ich diesem Betrag vorangestellt habe, ist eine typische zižekianische Laberei. Der Dampfplauderer ist sich wirklich für gar nichts zu schade. Hätte er sich doch nur gefragt, was denn die Alternative zur Forderung nach offenen Grenzen sei, wäre er vielleicht auf die Idee gekommen, dass er in Vollendung verkehrt herum auf dem Gaul zu reiten versucht. Das Tier liegt auf dem Rücken, auf dem Bauch sitzt der Dampfplauderer, hält den Schwanz (welchen auch immer) als Zügel in der Hand und ruft unentwegt Hü!

 
Dieser kurze Text zeigt die sich ständig wiederholende Blamage von Žižek und den seinen.
 
Niemand inszeniert sich, der offene Grenzen fordert. Das ist eine rein labermäßige Zuschreibung, eine Unterstellung, um den Gegner in den Dreck zu ziehen. Denn das heißt ja logisch zu Ende gedacht: Die das fordern tun es nur aus Gründen des Make-ups. Und der nächste Halbsatz unterstellt denen, die sich eben nicht durch den Druck des Pöbels, durch Futterneid oder Entsolidarisierung korrumpieren lassen wollen, dass sie aber DADURCH, DASS SIE FÜR OFFENE GRENZEN SIND, Teil jenes Teils der Welt wären, der korrumpiert ist.
Und warum das alles? Weil sie,die Forderer von offenen Grenzen, wüssten, dazu würde es nie kommen. Nochmal für Menschen, die gerne Žižek lesen: Der Schwadroneur vom Dienst behauptet, wer offene Grenze fordert, würde das nur tun, weil er sich als Gutmensch inszenieren wolle (er ist aber keiner, sonst müsste er sich ja nicht inszenieren, er spielt ihn nur), wäre korrupt und sei dies beides, weil er etwas fordert, was nie (bis die Sonne die Erde frisst oder der Einschlag eines Meteoroiden uns von allen philosphischen Dauerquasslern befreit) eintreten wird.
Nur wer geschlossene Grenzen fordert (also einen Zustand der schon da ist beibehalten möchte), ist, durch seinen gefestigten Realismus, niemand der sich inszeniert.
 
Žižek dampft auch sofort ab, was zu tun ist: Man müsse die Welt so gestalten, dass es keine Flüchtlingsbewegungen mehr geben müssen. Die Zurschaustellung altruistischer Tugenden aber würde das Erreichen dieses Zieles verhindern. Wer hilft, wer den tausendfachen Tod in Wüste und Meer verhindern wolle, sei also folglich Schuld daran, dass die Zustände nicht zu ändern seien.
Ein Schluß hat immer einen Umkehrschluss. Die Synthese bedarf These und Antithese. Auf die Antithese hat Žižek verzichtet. Sein Ergebnis ist seine Behauptung, nicht der Schluß einer Abwägung. Žižek weiß also, dass die Antithese gelautet hätte: Nur der Tod der Menschen im Meer, nur der Tod in der Wüste, nur Lagerhaft und Sklaventum würden dazu führen, dass wir bereit wären die Welt zu ändern, weil wir uns erst dann dazu bequemen würden über die Gesamtlage nachzudenken. So lange wir aber helfen, behauptet er, wollten wir gar nichts ändern. Nur gut sein, wollten wir dann und uns damit auf den Marktplatz der Eitelkeiten begeben. Das ist jedoch nicht die Wirklichkeit. Denn selbstverständlich ist die Arbeit von Pro Asyl und Amnestie international, von Kein Mensch ist illegal, ist die Arbeit vieler tausend Helferkreise und fast einer Millionen Helfer*innen nicht von der gemeinsamen Forderung nach einer grundlegenden Veränderung in den Herkunftsländern zu trennen.
 
Žižek schlägt sich hier auf die Seite der nationalstaatsverliebten, rückwärtsgewandten, eurozentristischen Chauvinisten vom Schlage eines Sloterdijks. Dort allerdings, ich will es gar nicht verhehlen, habe ich ihn, den ich schon immer für einen Modelinken hielt, im Kern stets verortet.
 
Žižek: Der neue Klassenkampf: Die wahren Gründe für Flucht und Terror; Ullstein Verlag.

 

Foto: Amrei-Marie

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