Gerade am Telefon: Würdest Du Dich als postmoderner Schriftsteller sehen, fragt mich jemand. Nein, so sehe ich mich nicht. Ich verspreche mich, vorsichtig, sehr vorsichtig einzuordnen und verspreche, das öffentlich, also in meinem Blog zu tun …
Ich bin, vermute ich, ein Neoexpressionistischer Autor. Diese Einlassung ist mit Vorsicht zu genießen, denn es gibt gar keinen Neoexpressionismus in der Literatur. Ich bin gleichwohl nicht der einzige Schriftsteller, den ich dort, also in meiner eigenen Wortschöpfung verorten würde. Aber hier geht es nur um mich, also werde ich die Zuordnung anderer brav unterlassen.
Der Expressionismus, diese seit Beginn des vorigen Jahrhundert erheblich in die Literatur wirkende Kulturepoche, braucht natürlich eine Übernahme in das 21ste Jahrhundert. Was nicht passt, wird passend gemacht. Und so muss ich, Kautskys vorschnelles Urteil, der Expressionismus hätte eine Nähe zum Faschismus völlig ablehnend, einige Stichwörter nennen, die mich zur der Einschätzung bringen, ich sei ein (neo)expressionistischer Schriftsteller:
- Die Welt ist nicht undurchschau. Es gibt keine "großen Erzählungen", sondern nur Fakten, die unter Berücksichtigung unterschiedlicher Klassenlagen, Anschauungen und politischen Zielsetzungen verschieden interpretiert werden.
- Die Geschichte hat kein Ende gefunden. Auch dann nicht, wenn man diesen Ausdruck nicht als Schlagwort, sondern ihn zurückführt auf das Werk Fukuyamas. Die Geschichte der Klassenkämpfe besteht fort, die Kämpfe bestehen fort. Weltweit.
- Das Individuum steht einer undurchschaubaren Welt nicht hilflos gegenüber. Vielmehr soll die Welt als undurchschaubar gelten, um das Individuum aus seinen Klasseninteressen zu lösen und zu vereinzeln. Das Sein soll nicht mehr das Bewusstsein bilden (ein dialektischer Prozess übrigens), in dem das Bewusstsein in einem Sein stattfindet, welches aus Assimilation in vorgegebene Herrschaftsstrukturen besteht.
- Gegen den stärker werdenden Inhumanismus des Kapitalismus muss eine politische und eine moralische Gegenwehr stattfinden.
- Arbeitsprozesse müssen in ihre inhumanen Struktur sichtbar gemacht werden.
- Wohn- Arbeits- und Lebenssituationen im 21. Jahrhundert sind immer Teil meines literarischen Schaffens gewesen. In hohem Maße durch innere Monologe. Sie sind auch Teil des Schaffens anderer marxistischer Schriftsteller (im belletristischen Bereich). Überwiegend mit anderen Mitteln der Darstellung, aber nicht mit anderem Ergebnis.
Das also kann nicht postmodern sein. Es ist das Gegenteil postmodernen Literatur. Und da ich mich, versprochener Maßen einordnen wollte: Neoexpressionismus scheint mir nicht nur eine geeignete Typisierung zu sein, ich würde mich geschichtlich auch in guter Gesellschaft befinde. In der nämlich von Becher, Heinrich Mann, Kafka und Schikele, um nur einige zu nennen.
Dass ich dabei immer nach der vollkommenen Freiheit des Menschen von Reglementierung in allen individuellen Kontexten suche und diese Suche einen großen Teil meines Werkes einnimmt, dass es mir also um die Freiheit von Wort, Schrift, Lebenführung geht, scheint mir für jemanden der Kommunist sein will, wie ich es verstehe, selbstverständlich.
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