Wähler von AfD und NPD

by | März 26, 2016 | Wort & Freiheit | 0 comments

An die Wähler von AfD und NPD

Wähler von AfD und NPD, Sie und die, die Ihnen nahestehen, sehen die Welt mit einer verzerrenden Brille, eine bis zur Unkenntlichkeit verschurbelte Realität und wollen, dass wir, die anderen, die Welt auch so sehen.
Sie sehen den Volkstod, wo gar kein Volk in der Existenz bedroht ist, sie erkennen nicht, dass Deutschland schon vor der Gründung (1871) auch durch seine Einwanderungen gelebt hat, und es tut Gleiches noch jetzt: Von den Polen, die weitgehend die Bevölkerung des Ruhrgebietes begründet haben, von den Hugenotten, von den Slaven, die Teil Preußens wurden, von den vielen türkischen Einwanderern, von Italienern und Spaniern, Jugoslawen und anderen.
Sie, Wähler von AfD und NPD, sehen in den weitgehend säkularisierten Syriern, die in ihrer überwiegenden Mehrheit west-orientiert sind und aus einer Region kommen, die im ihrer Bewohner Verhalten und der gesellschaftlichen Lebensorganisation unserer gleicht, eine Bedrohung für das christliche Abendland. Das galt den AfDler noch vor Monaten als christlich-jüdisch. Die Juden aber sind aus der Präambel des Programmentwurfes gestrichen. Sie sehen in, seit vielen Jahren durch europäische Großstädte von Bukarest bis Lissabon geisternden, Jugendbanden aus Nordafrika ein neues Phänomen, weil Sie die Augen verschließen vor der Realität, dass die kölnischen Ereignisse vorher schon in Rom und anderswo stattgefunden haben und überhaupt nicht mit Fluchtbewegungen verbunden sind.
Sie glauben allen Ernstes, dass der IS – eine der reichsten und mannstärksten Terrororganisationen –, der sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus Konvertiten europäischer Herkunft rekrutiert, seine Terrorschwadrons mit den Trecks der Flüchtlinge hierher schickt. Dabei sind sie schon längst hier, und nicht wenige hießen Otto Müller oder Jimmy Smith, bevor sie sich islamische Namen gaben.
Sie setzen den Wahhabismus und das Salafistentum mit dem Islam gleich, wollen aber selbst nichts mit dem Ku-Klux-Klan, der Lord’s Resistance Army oder anderen radikalen Christen zu tun haben. Warum eigentlich nicht? Wenn Sie dem durchschnittlichen Moslem eine Gefahr andichten, warum nehmen Sie nicht für sich die Chance wahr, anderen Menschen Angst vor Ihrer eigenen Mordlust zu machen?

Sie glauben ernsthaft, dass die paar Milliarden Euro für die Flüchtlinge nicht zu stemmen sind. Dabei stemmt dieser Staat einen jährlichen Steuerverlust durch Schlupflöcher von mindestens einhundertzehn Milliarden Euro. Sie fordern nicht, dass den Staaten, die direkt und vorsätzlich, mit Bedacht also, gegen die europäische Werteordnung verstoßen, wie Polen und Ungarn, das Geld der Gemeinschaft entzogen werden solle. Sie wollen aus Gründen, die nur in ihrer verquerer Weltsicht bestehen, die Grenzen schließen. Ihre Ablehnung richtet sich nicht gegen religiös verbrämte Gewalttaten, nicht gegen die Zerstörung des europäischen Gedankens durch rechtspopulistische und rechtsradikale Regierungen in Europa, nicht gegen die Brandanschläge auf Flüchtlingsheime usw., sondern gegen die Schwächsten der Schwachen. Ist Ihnen schon der Gedanke gekommen, dass das alles bei Ihnen nicht mit Politik und Sicherheit des persönlichen Lebens zu tun haben könnte, sondern mit vollkommener Verblendung?

Sie behaupten allen Ernstes die Kanzlerin und das Kabinett würden gegen Recht und Gesetz verstoßen haben, als die Grenzen endlich geöffnet wurden. Dabei sehen alle Gesetze und selbstverständlich auch die Verfassung genau diese Möglichkeit vor – übrigens auch das dritte Abkommen von Dublin.
Der von vielen Ihrer politischen Freunde geschätzte, meiner Meinung nach dem Nationalsozialismus neuer Prägung zuneigende, Jürgen Elsässer fordert Polizei und Militär zur Befehlsverweigerung auf und, so verstehe ich das, zum Sturz der Regierung durch Gewalt, also zum Hochverrat.
In Kreisverbänden der AfD haben Holocaustleugner Referate gehalten und NPD-Mitglieder Statements abgegeben.

Sie sind alle Ihrer politischen Provenienz so? Nein, vermutlich nicht. Es wird auch Menschen geben, die den schlechten alten Hausvaterstaat wieder haben wollen. Menschen, deren Problem weniger die Flüchtlinge, sondern eher die Homosexuellen sind, Menschen, die die Frauen zurück an den Herd wollen, Menschen, denen Hartz-IV noch zu hoch ist und solche, die ein starkes, heiliges Deutschland wollen, in deren Wohnzimmer Breslauer Nippes und Königsberger Kitsch steht.

Sie alle aber sind gegen die Moderne, gegen die Freiheit des Individuums, die es nur geben kann in der Solidargemeinschaft und unter menschenwürdigen Umständen. Sie alle gefährden den Rechtsstaat ebenso, wie Sie die Freiheitsrechte, die Menschenwürde und die Gleichheit vor dem Gesetz gefährden. Sie alle müssen, was Ihre Positionen angeht, scharfe Gegenwehr erfahren und Ihre Organisationen — sie es die AfD, sei es Pegida, die NPD oder andere aus diesem rechtsradikalen Spektrum – müssen entschieden und mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden.
Und gilt die Pflicht und das Recht zur Abwehr auch gegen jene in CDU, CSU und SPD, bei den Grünen und anderswo, die sich auf Ihrer Seite schlagen, sich anbiedern oder in der Tat glauben, das urdeutsche Unwesen sei nun gegenüber Fremder zu verteidigen. Es gilt also für Erika Steinbach und Vera Lengsfeld, für Thilo Sarrazin und Boris Erasmus Palmer (keine abschließende Aufzählung) ebenso, wie gegen Sie, Frau von Storch, Herrn Bernd Höcke, Herrn Gauland oder Frau Petry.

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