Über Leander Sukov
Neo-Expressionismus im
21. Jahrhundert
Ich wurde als Martin Timm in Hamburg Eimsbüttel geboren, wie man so sagt, auch wenn, wie in meinem Falle, die Geburt nicht zu Hause, sondern in einem Krankenhaus stattfand: Im Krankenhaus Barmbek.
Wikipedia weiß über mich zu brichten: “Leander Sukov ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Am 10. Mai 2019 wurde er zu dessen Vizepräsidenten und Writers-in-Exile-Beauftragten gewählt.” Im gleichen Jahr, bereits im Februar, hatte mich der Schriftsteller:innen-Kongress des Verbandes deutscher Schriftsteller:innen auf seiner Tagung in Aschaffenburg zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Ich hatte nun also zwei Leitungsfunktionen inne. Der PEN ist die wohl bekannteste internationale Organisation für das freie Wort. Es gibt ihn in mehr als 100 Ländern, die Zentrale sitzt in London. Er ist unabhängigen Pen-Zentren organisiert. Der VS, der Teil von ver.di ist, ist die größte europäische Schriftsteller:innen-Organisation. Er vertritt die materiellen Interessen der Schreibenden: Urheberrecht, Vergütungen von Publikationen und Lesungen, aber natürlich auch die Freiheit des Wortes.
Von 2016 bis 2019 war ich Verweser des Kulturmaschinen-Verlages. Zusammen mit einer kleinen Anzahl von Verlagsautor:innen gelang es mir, den Verlag wieder auf die Schiene zu bringen. Er gehört nun dem Autor:innen-Verein zu einhundert Prozent und verlegt die Bücher über eine vereinseigene Verlagsgesellschaft, die in Hamburg und Freiburg sitzt.
Zusammen mit anderen Schriftsteller:innen, Kulturaktivist:innen, Forschenden etc. betreibe ich die Seite kultur-und-politik.de. Ich bin außerdem Gründer der Nachrichtenseite redglobe.de, die bereits vor der Jahrtausendwende aktiv war und im Ursprung ein für damalige Verhältnisse innovatives Konzept auf der Basis der Programmiersprache Perl hatte. Mit einem Mitstreiter in New York versuchten wir frühzeitig über Ereignisse des politischen demokratischen Widerstandes zu berichten. Wir waren dabei die erste Nachrichteneinrichtung, die während des Gipfels in Italien
Es gibt eine eher kleine Zahl von Kritiken über mich im Netz. Sie gehen in der Regel über das einzelne Buch hinaus, versuchen mich also einzuordnen. Dafür bin ich dankbar.
In den Leipziger Kritiken heißt zum Beispiel es zur Arbeit von Leander Sukov
„Neben den auf Sexualität … fokussierten Texten, … finden sich … politische Texte … Ebensowenig wie seine Gedichte über Erotik in die Pornographie abdriften, taucht in seinen politischen Gedichten der erhobene Zeigefinger auf… Eine weitere bislang kaum bekannte Facette seines dichterischen Werkes sind die Einflüsse aus der Beatgeneration, …“
– Maurice Schuhmann: Leipziger Kritiken 10/2008
“Neben Romanen und Gedichten schreibt Leander Sukov Artikel unter anderem für die Tageszeitungen taz und junge Welt[6][7] und für die Wochenzeitung Unsere Zeit . Einige Gedichte von Leander Sukov aus dem Gedichtband Perlensau wurden von Sascha Mersch vertont und sind auf der gleichnamigen CD erschienen.”, weiß wiederum Wikipedia zu berichten.
Im Klappentext von “Auf einer Bank …” schreibt Dr. Maurice Schuhmann, Lehrbeauftragter Universität Grenoble, über den Autor:
“Sukov schreibt sowohl Prosa als auch Lyrik. Seine Lyrik bewegt sich im Spannungsverhältnis von Neo-Realismus und Neo-Romantik. Seine Werke sind häufig idealistisch und stützen sich auf ein humanistisches Weltbild. Mystische Bilder in den Geschichten und Gedichten ergeben sich bei Sukov aus dem Bindeverhältnis des Gegenwärtigen zur Vergangenheit, also aus dem ständigen Fluß des umfassenden Geschehens. Sukov sieht im Jetzt das jeweils kurzlebige Ergebnis eines kybernetischen Prozesses aus der Vergangenheit, der so vielschichtig ist, dass der Prozess selbst keine vollständige Erklärung seines Seinszustandes mehr zulässt, sondern nur noch durch abstrakte Erzählungen teilverknüpft werden kann. Dabei werden Tendenzen aufgezeigt. Diese Entwicklungszüge befinden sich in einem ständigen Prozess.
Das Leid des Menschen als konkretes Wesen, losgelöst von der abstrakten Rationalität der Welt und eingeschlossen in ein eigenes Sein ist der durchgängige rote Faden des Werkes. Dabei glaubt Sukov nicht an Vorbestimmtheit und Schicksal, sondern an die Gestaltungskraft des Individuums, die jedoch selten nur stark genug ist, den kybernetischen Prozess der Zeitabläufe zu verändern.”
Im Freitag heißt es zum 2012 erschienenen Roman Warten auf Ahab:
„Leander Sukovs Monolog … ist wuchtig, defätistisch und sehr erotisch – damit scheint der Roman aus der Zeit gefallen zu sein … Die schöne, subjektivistische Sprache … in der Tradition Peter Handkes … erinnert in ihrem bedenkenlosen Materialismus … ans detailliert Monologische von António Lobo Antunes oder Nanni Balestrini (“I Furiosi”): ein temperiertes Meer der Silben, in dem der Wind des Temperaments die Wörter vor sich her treibt.“
– Marcel Malachowski: Der Freitag, Nr. 17, 26. April 2012, Seite 16
Und Claudia Wangerin weiß in der “jungen Welt” über mich zu berichten:
“Denn wirklich unpolitisch ist nach Sukovs Überzeugung gar nichts. »Nur was man teilen kann, das hat man ganz«, liest er – und ich kann mir nicht verkneifen, dabei an seine äußerst gelungene Liebeserklärung an Alexandra Kollontai zu denken, die er vor einiger Zeit in einer Broschüre von DKP Queer veröffentlicht hat – obwohl er als ehemaliger Theaterkritiker solche Querverweise haßt.
Dafür liebt Sukov um so mehr Alexandra, die Bolschewikin der ersten Stunde, erste Sozialministerin der Welt und die Grande Dame der sexuellen Revolution – obwohl sie den bedauerlichen Nachteil hat, bereits verstorben zu sein, als er geboren wurde. So hat Sukov die Hauptfigur des Romans, an dem er gerade schreibt, zu einer strammen Kommunistin von heute gemacht. Zu einer, die gern politisch korrekte Anarchisten verführt, etwas, ähem, weniger korrekt zu sein. Der Roman, aus dem Julietta sehr lasziv einen Auszug verlesen hat, wird in der Ich-Form geschrieben. Und ich? Ich komme persönlich zu der Auffassung: Leander Sukov muß eine Frau sein, auch wenn er nicht so aussieht.”
Preise und Stipendien
2014 – Nominierung für den Horst-Bingel-Preis
2014 – Aufenthaltsstipendium im Schleswig-Holsteinischen Künstlerhaus Eckernförde
- Dezemberkind, Autobiografischer Roman, Vier-Vögel-Verlag, 2004, ISBN 978-3-938366-0-04
- Homo Clausus, Kulturmaschinen, 2009, ISBN 978-3-940274-07-6
- Ist besser, verdorben auch zu sein …, 21 Shakespeare-Sonette (Nachdichtung), Kulturmaschinen, 2009, ISBN 978-3-940274-05-2 (erste Auflage 2008, ISBN 978-3-940274-00-7)
- Perlensau. Kulturmaschinen, 2009, ISBN 978-3-940274-06-9[17] (erste Auflage 2008, ISBN 978-3-940274-01-4)
- Warten auf Ahab : oder Stadt Liebe Tod, Kulturmaschinen, 2012, ISBN 978-3-940274-55-7
- Die Alternative wäre Dorsch gewesen, Kurzgeschichten, Kulturmaschinen, 2015, ISBN 978-3943977615
- Schöne kleine Stadt, Kulturmaschinen, Novelle über Ochsenfurt 2015, ISBN 978-3943977639
- Auf einer Bank bei den nahen Pferdekoppeln sitzt ein Junge aus Nigeria und träumt vom Glücklichsein, Gedichte, Ochsenfurter Edition, 2016, ISBN 978-3946497004
- Obszön, Lang-Gedicht, Kulturmaschinen, 2020, ISBN 978-3-96763-089-3
- wenn die erwacht, singt ein leichter kalter wind lieder von polly scattergood, Gedichte, Kulturmaschinen, 2021, ISBN 978-3-96763- 155-5
Anlässlich der Veröffentlichung von “Warten auf Ahab” schrieb der Freitag über mich:
“Leander Sukov, 1957 in Hamburg geboren, schreibt seit seiner Jugendzeit. Er hat früh schon Gedichte in einer Anzahl Literaturzeitschriften veröffentlicht. Kurzgeschichten und Novellen folgten.
Sukov sieht sich nicht als postmoderner Autor. Er lehnt den Begriff “Postmoderne” als inhaltsleer und als reine Hilfskonstruktion für den Bereich der Künste und der Literatur ab und hält ihn im Bereich der politischen Philosophie für einen ideologischen Kampfbegriff. Seiner Meinung nach dient die “Postmoderne” auf der einen Seite der Verschleierung der Verhältnisse und auf der anderen zur Verhinderung von Widerstand. Es werde nach Meinung Leander Sukovs eine Sicht auf die Welt geschaffen, die letztlich esoterisch ist und dazu dient die Individuen zu vereinzeln, statt sie zu einem kollektiven Widerstand gegen Imperialismus, Umweltverbrechen oder technologisiertem Demokratismus zusammen zu führen. Ein “Ende der Geschichte” kann Sukovs Meinung nach nicht stattfinden – auch nicht unter einer richtigen Auslegung der falschen Ansichten Fukuyamas; bei Geschichts- und anderen Wissenschaften handele es sich auch nicht um “Große Erzählungen”, sondern um das jeweilige Wenden von Tatsachen im Rahmen von Klasseninteressen.
Sukovs Werk ist im Grundsatz immer politisch. Der Autor selbst lehnt die Idee des Unpolitischen ab. Es gäbe, so Sukov, keine unpolitischen Handlungen. Jede Lebenstätigkeit hat immer auch eine in die Gesellschaft, also die Polis, wirkende Komponente, die Kausalität könne nicht durchbrochen werden. Wer sich also heraushalten wolle, hielte sich gar nicht heraus: Er stütze immer die Verhältnisse, gegen die er nicht antrete. Es ergebe sich zwangsweise eine negative Handlungsperspektive, auch ohne direkte Handlung.
Freiheitsrechte, insbesondere Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch die Freiheit, seine Lebensart nach eigenem Gusto zu wählen, sind Bestandteil des Schaffens Sukovs. Er, das DKP-Mitglied, der Kommunist, hält Freiheit aber nicht nur für einen Begriff, der vage Rechte beschreibt, sondern für einen solchen, der reale Möglichkeiten bieten muss. Eine Freiheit, die von Determinanten abhängig ist, welche für die meisten Menschen nicht zu erbringen sind, sei keine Freiheit, sondern eine Schimäre.
Leander Sukov ist seit seiner Jugendzeit politisch aktiv. Es ist deshalb auch keine Attitüde, dass politisches Bewusstsein seine Arbeiten durchdringt. Er war Mitglied der SPD (Jusos in Hamburg, Stamokap-Flügel) und u.a. in der Studentenbewegung der 80er-Jahre aktiv als Geschäftsführer der Vereinigten Deutschen Studentenschaften; zuvor war in Hamburg aktiv in der Schülerbewegung und Ende der Siebziger aktiv am großen Schülerstreik gegen den Gesetzentwurf des Hamburger Senats für ein neues Schulgesetz beteiligt. Sukov trat Ende der Neunziger aus der SPD aus … Sukov ist Mitglied der Partei DIE LINKE. Er versteht sich als Sozialdemokrat im Nachgang zu August Bebel.
Literarisch ordnet sich Leander Sukov der expressionistischen Epoche zu. Da sich jedoch die Verhältnisse geändert hätten, das Sein also ein anderes wäre, als zur Zeit des Expressionismus‘, hätte sich natürlich auch das Bewusstsein geändert. Technologie, Umweltfragen, verändere globale politische Situationen usw. bedingen, dass man den Expressionismus als Neo-Expressionismus bezeichnen müsse, der sich direkt auf das Jetzt bezieht und keine nostalgischen Implementationen haben dürfe.
Expressionistisch auch ist Sukovs Sprache, seine starken Bezüge auf städtische Räume, Technik und Technologie, die Auseinandersetzung des Individuums als Teil eines Ganzen mit dem Ganzen (also eine dialektische Auseinandersetzung) und seines Verlangens, auch des sexuellen.
Leander Sukov ist Mitglied des Verbandes deutscher Schriftsteller, des deutschen PEN-Zentrums und mehrerer Literaturvereinigungen, darunter u.a. die Internationale Shakespeare-Gesellschaft und die Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik.”
(Textänderungen und -ergänzungen durch mich)