(Nach einer Demo ist Marie ins Krankenhaus gebracht worden, von Jonas, den sie noch gar nicht kennt, der sie vor dem Zugriff der Polizei gerettet, zum Saniplatz gebracht und dann in die Charité gefahren hat. Dort wartet sie auf eine Röntgenuntersuchung, sie wird im Rollstuhl herumgefahren, weil man nicht weiß, ob sie Brüche hat …)
Die Schwester schiebt mich vor einen der Tische, die in Nischen stehen, Jonas setzt sich neben mich und … hält Händchen. Ganz warm ist seine Hand. Und die Wärme geht mir durch den Körper, wie Sonnenstrahlen an heißen Sommertagen Dir durch den Körper gehen, ihn von innen wärmen → und Du hast im der Hitze der Sonne das Gefühl, Du würdest leuchten aus Dir heraus. Seine Hand → die fühle ich nicht in meiner, nein, unsere Hände sind eine Hand nun, sind siamesische Hand, haben sich vereinigt, fühlen sich an, als könnten sie nie wieder getrennt werden. Und in mir ein Gefühl, so gewaltig, so groß, so unbekannt, so niemals vorher erlebt, so einzigartig, so innig, so alles einem Brand übergebend, was in meiner Seelenmülldeponie lagert, so verzehrend all das mit heißer Flamme, dass die Sehnsucht sich wandelt, dass sie ganz die graue Farbe verliert, dass sie sich neu fokusiert, ein neues Ziel sich nimmt: Nicht mehr das unbestimmte Ziel zu lieben irgendwann, irgendwen, endlich zu lieben dann, sondern vorgibt, nun ein bestimmtes zu haben: diese Liebe. Ja, da habe ich kein anderes Wort für dieses Gefühl, gar kein anderes Wort, als LIEBE. Ich bin liebend, bin es als passive Akteurin, kann gar nicht begreifen mehr, dass ich mir LIEBEN immer als aktiven Akt vorgestellt habe, als etwas, das man tut, als etwas was getan werden muss; jetzt also die Erkenntnis: Lutz hat Recht: Liebe ist ein Lebewesen, die Liebe macht Dich liebend, so wie ein Regen Dich nass macht oder ein Virus Dich krank. Und die Erkenntnis auch: Es gibt kein Mittel dagegen, weil dieses Wesen LIEBE so groß ist, so überwältigend groß, dass man sich nicht wehren könnte, auch wenn man es wollte; dass es keinen Zweck hätte zu sagen: Ich will nicht lieben, wenn das LIEBESWESEN erst die Zähne einem ins Herz geschlagen hat. Dann liebt man. Und wenn das Wesen, das LIEBESWESEN gnädig ist, wenn es einen guten Tag hat, wenn es Dich nicht anscheißen will und nicht fertig machen, dann beißt es den, welchen zu lieben es Dich zwingt, auch, schlägt auch ihm die Zähne ins Herz und lässt ihn DICH lieben.
Ich bin nicht verliebt, ich bin darüber hinausgewachsen worden: Ich liebe. Wie ein Schlag das, ein neuerlicher, einer der noch wehtun wird – das weiß ich, das weiß ich: der einen Schmerz bereiten wird, welcher größer, irrer, tiefer ist, als alle Schmerzen, die ich bislang gespürt habe.
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