Maria Stuart im Kleinen Haus des Mainfranken Theaters
Einer eigentümlichen Aufführung von Schillers „Maria Stuart“ wohnte ich heute im Mainfranken Theater bei. Britannien ist eine Insel, und die Aufführung war wie die See: wellenförmig. Allerdings war die Dünung sanft, und nur manchmal erfreute ein Spiel der Wogen das Publikum.
Diese Aufführung hätte mehr sein können (und vielleicht wollte die Regie auch, dass sie mehr wäre) als solides Handwerk. Die gut spielenden Schauspielerinnen und Schauspieler agierten jedoch wie gebremst. Und ich vermute, sie taten es nicht aus eigenem Antrieb. An wenigen Stellen brach sich das Komödiantische, das Spielerische (im besten Sinne), die Bahn. Meist jedoch wurde der Spielraum – eine Bühne im eigentlichen Sinne gibt es nicht – der doch einiges an Tiefe und Breite aufweist, gar nicht genutzt. Die Interaktionen waren reduziert, die Leidenschaften (nehmen Sie das Wort mehrschichtig) wie unter Tüll verborgen. Über die Rampe wurde das Stück nicht geschoben. Dabei wären die Spielenden ohne Frage in der Lage gewesen, auszuspielen, was an Intrigen, Konflikten, Ängsten, an Furcht und Todesangst, Machtgier und Besessenheit von der eigenen Größe, dieser königlichen Hybris, sowie an Schuld und Verzweiflung eine tosende See hätte sein können (und sollen).
Das schiller’sche Stück handelt weniger von den tatsächlichen historischen Abläufen, die auch heute, trotz moderner Geschichtsforschung, zu einem recht großen Teil im Dunkeln liegen, als vielmehr vom Konflikt zwischen Herrschaft, Unterdrückung und Auflehnung, Schuld und Lüge, Liebe und Verrat. Es sind die großen Themen der Literatur, die in „Maria Stuart“ verdichtet werden. Ein großes Werk der deutschen Theatergeschichte. Für mich ist es das zentrale Stück Friedrich Schillers, vielleicht noch bedeutender als „Don Karlos“, allemal wichtiger als „Die Räuber“. In „Maria Stuart“ konzentriert sich Schillers Sicht auf Tugend, Ästhetik und Freiheit. Es ist eines der wenigen deutschsprachigen Stücke, die zu Recht einen Platz im Olymp der Shakespeare-Stücke beanspruchen können.
Das Stück ermöglicht agierendes, körperliches und die Bandbreite des Komödiantischen ausnutzendes Theater. Die gut gewählten Kürzungen, die das Stück auf eine Länge von zweieinhalb Stunden brachten, hätten auch alle Entwicklungen ermöglicht, die Dramatik und Tragödie benötigen. Leider blieb es bei gut gemachtem Regiehandwerk, in dem die Schauspieler:innen wie gefangen daherspielten.
Sie waren übrigens alle von gleicher Qualität. Hervorzuheben ist niemand. Überhaupt hat das MFT ein Ensemble, das durchgängig auf hohem Niveau spielt. Das kann nicht jedes Theater von sich sagen – glauben Sie mir, ich bin leidgeprüft.
Gleichwohl: Abzuraten ist natürlich nicht. Es bleibt ja das ordentliche Handwerk, und es bleiben die Leistungen der Schauspielenden. Und natürlich bleibt das grandiose Stück.
Kritik ist auch an der hallenden Akustik des Kleinen Hauses anzubringen. Es klingt wie in einer Turnhalle. Da sollte noch einmal nachgebessert werden.
Es spielten:
Eva-Lina Wenners (Elisabeth, Königin von England)
Karoline Marie Reinke (Maria Stuart, Königin von Schottland)
Nils van der Horst (Kennedy, Vertrauter der Maria)
Patricia Schäfer (Paulet, Hüterin der Maria)
Loris Kubeng (Mortimer, ihr Neffe)
Hannes Berg (Robert Dudley, Graf von Leicester)
Zlatko Maltar (Georg Talbot, Graf von Shrewsbury)
Tom Klenk (Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh)
Daria Lik (Davison, Staatssekretärin)
Tina Landgraf (Aubespine, französische Gesandte)
Für Regie, Bühnenbild und Technik waren verantwortlich:
Regie: Markus Trabusch
Bühnenbild: Catharina Gormanns
Kostümbild: Su Bühler
Dramaturgie: Barbara Bily
Musik: Adrian Sieber
Licht: Olaf Lundt
Auf dem Bild
Eva-Lina Wenners (Königin Elisabeth)
Foto: Nik Schölzel
Mainfranken Theater
Leander Sukov
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