Andreas Rumler über meine Dichtung

by | Jul 9, 2024 | Wort & Freiheit | 0 comments

Lyrik

Manche Leser erwarten, nehmen sie Gedichte zur Hand und zu Gemüte, rein gereimte Reime und wollen sich von perfekt plätscherndem Versmaß zur Ruhe wiegen lassen. Warum eigentlich?
Nicht immer künden mir die Musen von Frieden, von Freude und Eierkuchen. Bereits die ältesten Werke der Literatur handeln von Bösartigkeiten wie Krieg und Verrat, etwa die „Ilias“ oder „Bibel“. Bestseller der jüngeren klassischen Literatur immerhin von den Ränken und Ungerechtigkeiten der feudalen Klassengesellschaft und Selbstmord, wie etwa Goethes „Werther“. Ein Skandal 1774 und lange danach: „Kein Geistlicher hat ihn begleitet.“
Bereits in seinen Titeln deutet Leander Sukov dezent aber unüberhörbar an, dass er keine Idylle liefern will: etwa in „Obszön“ oder „Wenn die Stadt erwacht, singt ein leichter kalter Wind Songs von Polly Scattergood“. In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen, scheint er sagen zu wollen: sucht Ihr romantische Gefühle.Weder die großartigen Dichter der Ilias – umstritten ist schließlich, wer Homer war und ob er lebte – noch der Bibel schufen dergleichen.

Mit ihresgleichen mag man Leander Sukov in einer Tradition sehen: „Ich glaube, ich bin recht bibelfest. … Ein Buch mit ungemein poetischer Kraft. … In „Obszön“, dem Langgedicht über die Hölle, in der die Menschheit lebt, und die einige für alle schaffen, habe ich das Hohe Lied Salomons verarbeitet in einem Teil des Werks. … Das ist doch eine spannende historische Lektüre, die zugleich eine enorme sprachliche Kraft hat. Die Schöpfungsgeschichte ist in der ältesten Version 3000 Jahre alt und in der jüngsten 2500. Schon aus den Unterschieden lassen ganze Visionen ableiten, lassen sich Gesellschaften besser analysieren. … Eine Welt, die so ist, wie ich die Welt erlebe: Als Hölle. Mord, Totschlag, Intoleranz, Verfolgung, Gewalt, Vergewaltigung, Folter, Zerstörung, oft auf Befehl des Gottes, wenn man diese Figur für eine nimmt. …Das AT ist die Realbeschreibung der Welt.”

Vielleicht sind gerade so ungeschminkte Darstellungen der Realität hilfreich, will man die Welt mit all ihren Kriegen und Krisen verstehen, ohne an ihr zu verzweifeln. Putins Raubmord in der Ukraine bedroht die weitere Existenz des zivilisierten Europa, die Klima-Krise die Möglichkeit für uns Menschen, diesen Planeten weiter bewohnen zu dürfen.
Doch beide Klassiker geben auch Hoffnung auf eine glückliche Zukunft. Aeneas floh aus dem brennenden Troja ins rettende Exil, wie nach 1933 die geistige Elite Deutschlands. Jerusalems Tempel wurde wieder errichtet, Massada gestürmt, doch inzwischen werden dort oben, vor den Ruinen, angesichts der Rampe und Resten der römischen Kastelle im Tal, wieder Rekruten vereidigt.
Lyrik, auch realistische, vermag Mut zu machen. Gut so. Und ergreifend zu lesen.

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