Der Krieg steht bevor. Die Regierungen der USA, von Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik scheinen bereit für den Einsatz. Raketen sind stationiert, Schiffe sind entsandt. Es kann losgehen. Wunderbar!
Niemand wird bestreiten, dass sowohl öffentlich rechtliche Sender, als auch das Privatfernsehen ihrer vornehmsten Aufgabe, der Unterhaltung, nicht mehr nachkommen. Reality Soaps, Familienglück und Auswanderer, zehnfach wiederholte Dokumentationen, sind nicht das, wo nach wir hungern. Wir wollen abgelenkt werden. Welch eine wunderbare Fügung ist da dieser Krieg.
Wir wollen Kriegsberichterstattung zur besten Sendezeit, wir wollen Reporter vor Ort. Wir wollen sie dort, wo die Friedensraketen einschlagen. Wir wollen Antonia Rados. Wir wollen ihre Berichte aus den Hauptstädten der Verbündeten. Wir wollen klare Schnitte und 24 Stunden Krieg und Heldentum. Während Rados uns die wunderbaren Bilder von den Hinrichtungen in Riad zeigt, während noch die Köpfe exekutierter Hexen und Konvertiten über unsere Flachbildfernseher rollen, wird die Szenerie in Syrien schon ausgeleuchtet. Dann der Schnitt. Kurz, hart, brutal, dass es uns für eine oder zwei Sekunden von den Bierflaschen reißt. Und dann die Kollateralschäden: Leiber voll Blut, herausquellende Gedärme, abgerissene Arme, das Bein eines Verschütteten, das noch zuckt unter der Betonplatte. Die gebrochenen Augen getöteter Kinder.
Und im nächsten Kanal, nur eine Druckstelle weiter auf der Fernbedienung: Die Kollateralschäden der syrischen Armee. Unterlegt mit Wagners Götterdämmerung und aus dem Off eine jener sonoren und doch mit dem Grün der Hysterie gestrichenen Stimmen, die uns die Lage erklärt.
Dann wieder ein Schnitt, und die zehn besten Todesszenen werden von den dümmsten Stars des deutschen Showbusiness kommentiert, die man finden kann. Ein Späßchen hier, weil er so lustig zuckt beim Sterben, ein betroffener Blick bei der Szene mit dem zehnjährigen Mädchen, dessen Leib zerrissen wurde, wie damals der Hund des Sternchens, der auf die Autobahn geriet.
Und dann wieder die Schaltung ins Kriegsgebiet, und zu den schönen bunten Bildern aufsteigender Kurzstreckenraketen lasst Ihr nochmal Nicols alten Hit im Hintergrund laufen und schaltet zurück ins Studio. Gebt uns eine Talkshow, lasst Euch nicht lumpen. Aber nicht zu lange. Dann braucht es wieder Blut und Tote, braucht es wieder abgerissene Gliedmaßen und herausquellende Eingeweide, dann wollen wir Schreie hören und Flüchtlinge in ihrem Elend sehen.
Wenn Ihr schon einen Krieg macht, dann verroht uns. Wir wollen so werden, wie Ihr schon seid.
Verroht uns!
In Vorbereitung
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“Warten auf Ahab” und seine Fortsetzung. Vollständig überarbeitet. Ein Roman voll Liebe und Liebesleid, Kampf und Hoffnung.
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