Es geht nicht um Menschenrechte

by | Aug 24, 2013 | Wort & Freiheit | 0 comments

War_in_SyriaDie Politik der USA gegenüber Syrien und anderen Staaten hat System. Das System ist erprobt. Es existiert seit den frühen Jahren der USA (der Interventionismus begann spätestens 1854 mit der militärischen Durchsetzung des amerikanischen Zugangs zu japanischen Häfen).
Das gegenwärtige Problem ist, dass die Interventionspolitik der USA und ihrer Verbündeten im Nahen Osten sich gegen Regime richtet, die auf moralischer und ethischer Ebene außerhalb der sozialen Befriedungspolitik, die von ihnen innenpolitisch betrieben wird, nicht verteidungswert sind, es sei denn man folge einem kruden Antiimperialismus, der sich aber nicht mehr anders als in sich selbst verorten kann. Die Gegnerschaft zur Interventionspolitik kann also kaum auf der Verteidigung der Regime aufbauen. Sehr wohl aber ist sie im internationalen Recht fundiert. Der ständige Rechtsbruch durch die USA und ihre Verbündeten führt langfristig zur Hochrüstung, weil sich Staaten nur dann sicher fühlen können, wenn ihr militärisches Aggressionspotential ausreicht, um einen Angriff mit einem hohen Blutzoll zu versehen. Zugleich wird es für Russland und China nötig, ihr Waffenarsenal aufzustocken und ihre internationale Politik zu überdenken, um nicht selbst in den Fokus ‚heißer‘ Interventionsmaßnahmen zu geraten.
Während die Interventionen durch die westlichen Staaten mit der Menschenrechtssituation begründet werden, unterhält die Staatengemeinschaft freundschaftliche Beziehungen zu Staaten wie Saudi Arabien und anderen, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Steinigungen, öffentliche Enthauptungen, Hinrichtungen vermeintlicher Hexen, Verfolgung Andersgläubiger usw. gehören in diesen Staaten zu den Tagesaufgaben der Judikative und Exekutive. Während jedoch über Hinrichtungen z.B. im Iran ständig und wiederholt in den Medien der westlichen Staaten berichtet wird, fallen die Berichterstattungen über Bahrain, Saudi Arabien und andere vergleichbare Staaten zurückhaltend aus oder unterbleiben in sehr vielen Fällen ganz. Damit wird eine Akzeptanz von interventionistischer Politik in der Bevölkerung erreicht.
Die militärischen Eingriffe in die Auseinandersetzungen im Nahen Osten, die auch deshalb von solcher Heftigkeit sind (Libyen, Syrien), weil ein Teil der Konfliktparteien durch die westliche Militärallianz und Anrainerstaaten unterstützt wird, destabilisieren die Staaten. Libyen ist, zumindest fast, ein gescheiteter Staat. Damit ist das Ziel erreicht, dass Libyen nicht mehr in die regionalen Konflikte eingreifen kann und die Ölreserven nicht mehr den politischen Zielen eines funktionierenden Staates als Druckmittel dienen können. Sie befinden sich im Zugriff wechselnder Warlords. In Syrien droht Ähnliches. Es ist damit zu rechnen, dass auch Syrien nicht mehr als funktionierender Staat bestehen wird. Diese Ergebnisse sind gewollt. Sie als unerwartete Ergebnisse zu werten, hieße, den Außenpolitikern der Nato zu unterstellen, dass sie keine Ahnung von der Situation in einem Gebiet der Welt hätten, welches seit Jahrzehnten im Fokus der Außenpolitik liegt.
Von Anfang an war in Libyen eine Verständigung, ein sich demokratisch vollziehender Politikwechsel nicht gewollt. Es ist es auch in Syrien nicht. Nicht die Entmachtung Gaddafis oder die Entmachtung Sadats ist das Ziel, es geht nicht um mehr Demokratie, Rechtstaatlichkeit und individuelle Freiheit, sondern darum die gesamte Region beherrschbar zu machen und regionale Machtzentren auszuschalten. Keine Staaten können keine Außenpolitik machen, sie können keine strategischen Bündnisse eingehen. Der Nichtstaat ist verlässlich unzuverlässig. Er ist in seinen inneren Konflikten gefangen, die bewaffneten Kräfte sind zu einem erheblichen Teil gebunden, auch wenn natürlich die Gefahr, dass Kämpfer radikaler religiöser Gruppen ausgebildet und anderenorts eingesetzt werden. Eine Gefahr, die jedoch nicht die geostrategischen Überlegungen gefährdet.
An der Grenze zur Türkei einen zerfallenen Staat zu schaffen, bedeutet, eine Stärkung des NATO-Partners Türkei vorzunehmen, weil es keine institutionalisierte Gegenmacht mehr gibt. An der Grenze zum Iran einen solchen Staat zu schaffen, bedeutet, eine Möglichkeit zu haben, den Iran zu stabilisieren, weil er, im Gegensatz zur Türkei, nicht in ein Bündnis eingebunden ist und deshalb auch weniger Möglichkeiten hat, sich einer Zersetzung von Außen zu erwehren. Auch das ist ein Ziel dieser Politik.
Die Frage ist, wie lange eine solche Politik gefahren werden kann, ohne dass es zu militärischen Auseinandersetzungen mit Russland oder China kommt, die ja kein Interesse daran haben können, weil sie jeglichen strategischen Einfluss auf die Gegend verlieren.

Foto: Pereslavtsev (wikipedia)

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