Schlaglicht

by | Jan 8, 2013 | Wort & Freiheit | 0 comments

Ich bin ein wertkonservativer Kommunist. Das muss natürlich erklärt werden. Fangen wir mit dem Substantiv an. Man muss ja wissen, was der in der Substanz ist, der sich da als wertkonservativ bezeichnet. Nun, das ist nicht einfach und eigentlich auch hier gar nicht zu leisten. Wenn man die Schriften von Robert Steigerwald liest, die in den letzten Jahren in dem Verlag erschienen sind, in dem auch meine Bücher erscheinen, dem Kulturmaschinen Verlag, dann ist man recht nahe an dem, was ich für mich als Basis bezeichnen möchte. Ich bin also – um den Begriff von Steigerwald zu übernehmen – ein demokratischer Kommunist. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es nicht die Aufgabe für die Zukunft ist, die Fehler der Vergangenheit zu übernehmen. Wobei ich anmerken möchte, dass ich den Begriff Fehler hier nicht als Euphemismus verwende, sondern als Summierung. Ohne Opposition, ohne politischen Streit und ohne unterschiedliche Konzepte, wird kein kommunistischer Staat zu machen sein, kein sozialistischer, keine

Übergangsgesellschaft. Für mich bedeutet die „Diktatur des Proletariats“ die Diktatur des dann bestehenden Heute über das dann gewesene Gestern, nicht die Diktatur über Ideen und Menschen. Wir leben in den Republiken und konstitutionellen Monarchien in einer Diktatur des bürgerlichen Staates. Sie verhindert nicht, zumindest sollte sie es nicht tun, die politische Auseinandersetzung, den politischen Streit, die Freiheit des Wortes usw. Sie verhindert vielmehr, dass sich das Gestern wieder etablieren kann. Es gibt schlicht keinen legalen Weg zurück in den Feudalismus, in Adelsherrschaft, in eine absolute Monarchie. So verstehe ich die Diktatur des Proletariats auch. Sie verhindert, dass es zurück geht in eine Gesellschaft in der bürgerliches Eigentum – nicht Eigentum an sich – sich wieder etabliert. Ich bin Kommunist deshalb, weil ich mehr Freiheitsrechte will, nicht weniger.
Was aber ist „wertkonservativ“? Dazu muss man klären, was – für mich – Werte sind, die man konservieren muss. Es sind nicht jene Werte, die sozusagen die innere Weltsicht eines Menschen betreffen, sondern jene gesellschaftlichen Werte, die historisch gewachsen sind und die es zu bewahren gilt. Ich fühle mich dabei ganz eins mit Lenin. Kunst, Literatur, Bildung, demokratische Errungenschaften müssen über den Tag hinaus bewahrt werden. Dabei stellt sich sofort das Bonmot, Tradition sei nicht das Weitergeben der Asche, sondern des Feuers als unordentlich formuliert heraus. Denn natürlich will ich nicht das Feuer des brennenden Hauses weitergeben, also nicht die Verwerfungen, sondern die Flamme des wärmenden Feuers, also das, was „gut“ ist. Aber „gut“ ist nichts als ein romantischer, ein idealistischer Begriff. Man muss „gut“ auf seinen Gehalt prüfen und aus dem Idealismus befreien. Gut, in, meiner Meinung nach, ganz materialistischer Art und Weise, sind Freiheit der Rede und Wortes, Freiheit der Kunst und Literatur, Gerichte, die sich zwar auf der Basis der gesellschaftlichen Rechts befinden (ein bürgerliches Gericht des Jahres 2013 entscheidet ja auf anderer Grundlage, als ein kaiserliches Halsgericht), aber unabhängig von politischen Einzelinteressen sind. Und natürlich bedeutet „wertkonservativ“ in meinem Sinne auch, dass Bildung, Bücher, Kunst, Musik, Theater zugänglich sein müssen, also auch ohne finanzielle Mühen erwerbbar und die Teilhabe an ihnen, auch die schaffende Teilhabe, ohne Hürden, ohne Tendenzschranken möglich sein muss.
Das alles ist verkürzt, natürlich, aber ich wollte zumindest, weil ich mehrfach danach gefragt wurde, eine Tendenz liefern, meine Positionen zu begreifen. Und wenn man mich fragen sollte, wo denn da Marx, Engels und Lenin bleiben, kann ich beruhigt antworten, dass sie das Fundament bilden, also das Gebäude meiner Weltsicht tragen und dass Rosa Luxemburg, Liebknecht, Gramsci und andere die Fenster bilden, durch die ich in die Welt schaue, und wenn die geputzt werden müssen, nehme ich mir einen Steigerwald und mache die Sicht wieder klar.

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