Dieser Tage erscheint in dem uns verbundenen Kulturmaschinen Verlag ein neues Buch von Ralph Roger Glöckler. Der König in seinem Käfig wird es heißen, und die gut 170 Seiten sind für 21 Euro gebunden und für 14 Euro als Taschenbuch erhältlich. Ein kleiner Preis für ein großes Buch.
Glöckler ist ein Prosa- und Lyrikautor, den man getrost und ohne ihn zu überhöhen als Dichter bezeichnen kann; und man darf diese Berufungsbezeichnung durchaus in ihrem, zu Unrecht veraltet klingenden, klassischen Wesen gebrauchen. Die Sprachgewalt, die Grandezza und die Akkuratesse mit der Glöckler seine Sätze formt und seine Erzählungen verfasst, liegen weit oberhalb des Üblichem.
Ralph Roger Glöckler hat Germanistik und Romanistik studiert. Er ist Völkerkundler mit Magisterabschluss. Lange Jahre lebte er in Lissabon. Er ist polyglott und, gleichsam studiert welterfahren. Das sich daraus ergebende Niveau der Dichtung, sowohl in Prosa, als auch in der Lyrik, fügt ihn zu jenem Kreis klassischer Autorinnen und Autoren, der, ich bedauer es sehr, leider auch international schrumpft. Glöckler ist meiner Meinung nach eher in der klassischen Moderne zu verorten, als in der, langsam aus der Mode kommenden, Postmoderne. Die Welt, so scheint es mir, wird ihm durch das Chaotische und Heterogene, durch das Desperate gerade durchschaubar. Die Welt wird, so empfinde ich auch dieses Buch, durch ihre Mystik, durch ihre Nebulösität zu ihrer eigenen Metaerzählung. Das Ganze wird in jedem einzelnen erzählt.
Und genau das gelingt Glöckler geradezu großartig mit Der König in seinem Käfig. Worum geht es?
Anna, Stieftochter des Diktators, zweifelt an ihrem privilegierten Leben.Zufällig rettet sie ein Unbekannter vor dem Unfalltod. Kurze Zeit darauf findet sie eine Visitenkarte in ihrer Handtasche: „Sie greift nach der Handtasche, fingert darin herum, weiß aber nicht, wonach sie sucht, Notizbuch, Kuli, Zigaretten, Schlüssel, wühlt und weiß nicht mehr, weshalb sie hier draußen sitzt, um Bildern nachzusinnen, die schon verloschen sind und nichts, gar nichts bedeuten wollen, oder, warum geht sie nicht zurück ins Bett, da gerät ihr ein schmaler Karton zwischen die Finger, eine, wie sie er- kennen kann, Visitenkarte, vermag aber, weil es dunkel ist, weder namen noch Adresse zu lesen noch sich daran zu erinnern, wer sie ihr gegeben hat, hält sie nah vor die Augen, Daniel, steht da in grünblauem Wasserschimmern, Traumdeuter. Wer, fragte sie sich, soll das sein, lässt die Karte sinken, starrt aufs Wasser, versucht ein Gesicht zu erinnern, jemanden, den sie zuordnen kann, aber da ist nur die wasserspeiende Schlange und ein heller werdender Himmel über der Stadt. Sie zuckt die Schultern, schüttelt den Kopf, weiß nicht, wie die Visitenkarte in ihre Tasche geraten ist.“ Ihr leben wird sich, das sei verraten, vollkommen verändern.
Und neben der Moderne, der ihr untergelagerten Postmoderne, kommt mich der kurze Roman auch an, als gehöre er, wie schön!, zum magischen Realismus, zum realismo mágico der lateinamerikanischen Literatur. Die Stärke der Imaginationen, des Verrücktseins – im Sinne des Verschiebens aus dem Fluss der Realität –, die Exaktheit der Schilderung, oft durch Substantive, die wie Scheinwerfer wirken, ausgeleuchtet, passen in der Struktur wunderbar zur Magie der papierenen Welt, die Glöckler erschafft.
Ein Buch, dass Sie vielleicht nach dem Lesen nicht zu weit weg stellen, um es dann gelegentlich und sicher mit Freude erneut zu lesen. Platzieren Sie es dorthin, wo auch Liebe in Zeiten der Cholera steht oder Hundert Jahre Einsamkeit stehen.
Leander Sukov
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