In Niederösterreich wird nicht mehr gegendert, jedenfalls dort nicht, wohin der Arm des österreichischen Bundeslandes langen kann. „Bei uns heißt es heute und auch in Zukunft: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Damen und Herren. Es wird also nach dem amtlichen Regelwerk des Rats der deutschen Rechtschreibung gegendert. Mit diesen Regeln ist sichergestellt, dass Frauen und Männer völlig gleichgestellt sind. So wie es auch vom offiziellen Rat der deutschen Rechtschreibung empfohlen wird.“, berichtet OE24.
Sicher wird das Wasser auf die Mühlen derer sein, die auch hierzulande gegen das Gendern streiten. Denn auch nach deren Willen soll es hier heißen „Damen und Herren, Ministerpräsidentin und Ministerpräsident“. Ich sage voraus, dass das Ansinnen scheitern wird.
Der Rat der deutschen Rechtschreibungen, der über die Sprache wacht, sofern sie offizielle Stellen verwenden (und nur dann und darob), hat auf einer vormaligen Zusammenkunft seiner Mitglieder (2021) entschieden, dem Gendern solle nicht offizieller Charakter zukommen. „Der Rat für deutsche Rechtschreibung bekräftigt in seiner Sitzung am 26.03.2021 seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen. Dies ist allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann. Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege. Der Rat hat vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen.“ Daraus wurde die Ablehnung des Genderns behauptend abgeleitet. Nun hat der Rat seinen Beschluss präzisiert. Die Tagesschau, der man trauen darf, berichtet darüber so: „Eine offizielle Anerkennung des Gendersterns gibt es vom Rat für deutsche Rechtschreibung noch nicht. Dafür aber die klare Botschaft, die Sonderzeichen zu tolerieren. Die Entwicklung sei noch nicht abgeschlossen und werde vom Rat weiter beobachtet.
In einer sehr kontroversen Debatte war dies alles, auf das man sich mit der nötigen Zweidrittelmehrheit einigen konnte. Zufrieden war am Ende niemand. Auch Josef Lange, der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung, hatte auf mehr gehofft. „Ich hätte mir ein weiterführendes Ergebnis versprochen. Das war bei allem guten Willen nicht zu erreichen.“ Die Diskussion werde mit Sicherheit in den nächsten Jahren weitergehen.“
Der Vorsitzende des Rates hat Recht mit seiner fordernden Hoffnung nach weitergehenden positiven Entscheidungen und der Rat liegt richtig damit, sich weiterhin nicht auf ein „Nein“ zu fokussieren. Denn die, verfassungsrechtliche, Niederlage ist ebenso abzusehen, wie die erwartbaren Entscheidungen unterer Zivil- und Verwaltungsgerichte. Denn: Wir stehen, auch falls es durch Entscheidungen des Bundesrates noch verzögert werden könnte, vor einer grundlegenden Änderung der Rechte zur Selbstbestimmung bei Geschlecht und Namen. Und daraus könnten durchaus ernstzunehmende Konflikte entwachsen. Wer sich, wie ich es tun werde, bei Einführung des Gesetze, als „Divers“ erklären wird und vielleicht auch seinen Namen neutralisiert, hat gleichwohl ein Recht auf Mitanrede. Mit „Damen und Herren“ ist es da nicht getan. Und wir wollen ja nicht, ein „liebe Diverse“ angehängt finden. Mit der Doppelnennung bei Berufen, „Liebe Lingusitinnen und Linguisten“, ist es dann auch nicht getan und eine Wende auf das generische Maskulinum kommt schon gar nicht in Frage. Die Wirklichkeit wird, auch, durch das Recht geschaffen.
Wer, wie es manche aus dem Rat für Rechtschreibung tun, festhalten an eben diesem generischen Maskulinum wird einfach durch den Fluss der Zeit hinweggespült werden. Wie es bei Bob Dylan, dem Literaturnobelpreisträger, heißt: „If your time to you is worth savin‘ // And you better start swimmin‘ // Or you’ll sink like a stone // For the times they are a-changin‘“
Wir haben übrigens eine Reihe von soziologischen Untersuchungen (https://www.uni-konstanz.de/gleichstellungsreferat/gleichstellung-in-wissenschaft-und-studium/standards/gendergerechte-und-inklusive-sprache/), die das Argument, es würde durch das generische Maskulinum auch das Mitmeinen allgemein so verstanden, widerlegen. Es ist dem nicht so. Fast alle Untersuchungen zeigen dieses gegenteilige Ergebnis. Zugleich gibt es Untersuchungen über die Veränderung von Berufswünschen von Mädchen(https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/3841), wenn zu den sogenannten „männlichen Berufen“ auch die weibliche Form mitgenannt wird. Schon hier ist deutlich: Die Argumentation der Gendergegner ist vorgeschoben. Es geht offenbar nur um das Erhalten des Vertrauten. (Die beiden Verweise gelten lediglich als Einstieg in eine weiterführende eigene Recherche).
Meine Gewerkschaft, ver.di, und somit auch der Verband deutscher Schriftsteller*innen haben bereits auf einem der zurückliegenden Gewerkschaftstage beschlossen, dass in der Gewerkschaft gegendert wird. Gleiches gilt nach meinem Wissensstand auch für die anderen DGB-Gewerkschaften, für die SPD und die LINKE. Meiner Meinung nach gibt es eine geübte Praxis auch im deutschen PEN-Zentrum und die Louise-Aston-Gesellschaft, deren Generalsekretär ich bin, hat sich entschieden, das generische Femininum zugunsten einer inklusiven Lösung abzulehnen.
Ich möchte an jene im Rat für deutsche Rechtschreibung appellieren, die noch am generischen Maskulinum festhalten, einer Lösung, die erstens dem Artikel 1 des Grundgesetzes und zweitens den Erfordernissen einer modernen Gesellschaft entspricht, nicht länger im Wege zu stehen.
Leander Sukov
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