Dinge, die es gar nicht gibt: Virtuelle Realität

by | Sep 19, 2012 | Wort & Freiheit | 0 comments

Abseits aller philosophischen Fragen um das, was Realität ist, wollen wir uns darauf verständigen, dass in diesem Falle real ist, was existiert, was also den Naturgesetzen unterliegt und aus Teilchen besteht.
Das ist deshalb nötig, weil es Menschen gibt, die glauben, es gäbe außerhalb diese Realität eine zweite: Die Virtuelle. Das gehört zu den großen Irrtümern, wie z.B. dass das Weltall unendlich sei, die Atomkraft sicher oder der Kapitalismus reformierbar.
Die virtuelle Realität ist die normale Realität. Es gibt ja auch keine besondere Realität wenn man Zeitungen liest oder Bücher. Wobei man bei Zeitungen jedoch konstatieren muss, dass ihr als Wirklichkeit ausgegebener Inhalt nicht immer auch mit dem korrespondiert, was ist, sondern häufig mit dem, was sein soll – wenn es nach den Inhabern der Zeitungen geht. Bei Büchern handelt es sich bei Abweichungen entweder um schöngeistige Literatur oder um alberne Sachbücher. Es gibt Sachbücher für Geisterbeschwörungen oder Körperpflege bei Vollmond, ich vermute, sie gehören dann doch eher zu den Romanen. Wie dem auch sei: Eine virtuelle Realität gibt es nicht. Das „Netz“ ist das Ergebnis von Arbeit. Menschen haben Computersprachen erfunden, Leitungen gelegt, Sendestationen aufgestellt, Router zusammengeschraubt, Webseiten erstellt, Eingaben gemacht, sich lustige Avatare ausgedacht und merkwürdige Nicknames: Alles ganz real.
Sie glauben aber, wenn sie als Bigi24 ins Netz gehen, eigentlich aber Otto63 heißen müssten, es entstünde etwas, was eine neue, eine virtuelle Wirklichkeit wäre und sie wären Bigi24. Das ist Unsinn. Was sie in Wirklichkeit tun, ist, ihrer Phantasie freien Raum zu lassen. Die Realität ist, wie wir wissen, aber eine Halluzination, die durch Drogenmangel hervorgerufen wird. Sie ist keine Phantasie: Sie ist da. Und Otto63, also Bigi24, mag sich einbilden, statt einer Mega-Wampe Mega-Titten zu haben. Er hat sie deshalb aber noch nicht, er tut nur so, als hätte er sie.
Es ist zum Muster geworden, Spiel und Sein zu verwischen. Das darf man natürlich, aber hilfreich ist es nicht. Andererseits macht es aber auch nichts, wenn man es tut – außer, dass es hier und da die Mitmenschen nervt.
Hinter komischen Nicknames verstecken sich auch Leute, die in ihre angenommene virtuelle Realität eintauchen und mitspielen dürfen, welche früher aufgrund ihres Lästermauls weiträumig Lokalverbot hatten. Jetzt sitzen sie mit einer Flasche Bier gemütlich vorm Rechner. Wenn man sie aus irgendwelchen Chaträumen, Social Networks oder Foren schmeißt, denken sie sich den nächsten Nickname aus und spielen wieder ihre Trollrolle. Bei den Kneipen ging das nicht. Mit Maske kamen sie nicht hinein und ohne erst recht nicht. Aber sie sind ganz wirklich und nicht virtuelle. Du liest ihre Beiträge, die Hetztriaden, die Beleidigungen und Unterstellungen und weißt: Das könnte Dein Nachbar sein oder der nette Bäcker von nebenan. Also immer schön vorsichtig sein: Die Geister der virtuellen Realität sind in Wirklichkeit Menschen vor ganz realen Tastaturen. Sie denken, was sie schreiben, sie sind gar nicht in Deinem Rechner, sie wohnen nicht im Internet. Und eine virtuelle Realität gibt es auch nicht: Es gibt nur die eine, unsere.

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