Lieber Rassist, es wird alles gut!

by | Jan 24, 2013 | Wort & Freiheit | 0 comments

Lieber Rassist, Du stehst in einer langen Tradition. In einer Tradition aus Sklaverei und Völkermord. Von hier bis Beijing, von der Prärie bis zu den namibischen Wüsten. Und Du stehst natürlich in einer langen Tradition von geradezu boshafter Widersetzlichkeit gegen Dich und Deine so schön weiße Welt, dass man es gar nicht sagen kann. Womit wir beim Thema werden: Es wird alles gut. Gräme Dich nicht.
Hurtig werden fleißige Lektoren aus Negerprinzessinen Südseeprinzessinnen machen. Und die, das wird Dich freuen, können natürlich auch weiß sein, oder wenigstens so hellhäutig, dass es Dir eine Freude ist. Da muss Du Dich bei Pippi Langstrumpf, lieber Rassist, nicht mehr grämen, dass man zwar Deinen Sprachgebrauch benutzt, aber die Nigger einfach trotzdem zu Menschen macht. Nein. Das ist dann vorbei. Eine schöne, chemisch gereinigte Südseeprinzessin, möglichst – man braucht nur etwas Phantasie – mit europäischen Vorfahren. Es sei, geht ja die Mär, ein Vorfahre der Könige von Tonga aus dem Alten Land bei Hamburg gekommen. Und aus ihrem Vater, dem Negerkönig, wird, wie sollte es anders sein, ein Südseekönig. Vielleicht aus hanseatischem Geblüt. So schön kann die Welt sein, lieber Rassist. Überall Weiße.
Und es wird für Dich, lieber Rassist, noch weitere wunderbare Literaturveränderungen geben. Den „Neger Jim“ aus Tom Sawyer und Huckleberry Finn wird man geschickt umbenennen. Vielleicht in „dunkler Jim“. Und da weiß man ja nicht: Ist‘s die Haarfarbe, oder sind es doch die Augen? Und mit dem Neger Jim verschwindet gleich die ganzen Sklaverei im Orkus der Literaturwächter.
Bei „Onkel Toms Hütte“ wird es viel zu tun geben, und ich bitte Dich, lieber Rassist, sei nachsichtig, wenn es etwas länger dauert. Aber es wird gelingen. Du wirst mit Staunen vor dem Buch sitzen und Dich freuen. Nichts wird mehr auf die zwar abolitionistische, aber dennoch Deinen Ansichten nicht sehr weit entfernte Weltsicht der Nordstaatler hinweisen. Nein. Es wird gar keine Sklaverei mehr gegeben haben, wenn man erstmal mit der Sache durch ist. Du wirst sehn: Die Welt kann so schön sein.
Othello wird man sich, sei Dir sicher, lieber Rassist, gleich mit vornehmen. Da ist doch sowie so unklar, ob der Mohr von Venedig, der im Original doch eher ein Maure zu sein scheint, überhaupt negroid ist. Othello in leicht gebräuntem Ton, verhalten arabisch. Das ginge doch auch für Dich, lieber Rassist, in Ordnung.
Und bei Hannah Ahrend wird nicht mehr „ketzerische Ansichten über die Neger-Frage und equality“ heißen, sondern fürderhin gereinigt, "ketzerische Ansichten über die Zwangsmigrantenfrage und equality". Und, da bist Du Dir sicher, lieber Rassist, Zwangsmigranten können auch Menschen mit weißer Hautfarbe sein.
Vielleicht aber ist für Dich am wertvollsten, dass die vorlesenden Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkeln nicht mehr die Wörter erklären müssen, nichts mehr erzählen müssen über Rassismus und Sklaverei, über die Herabsetzung, die das Wort „Neger“ im Sprachgebrauch heute bedeutet. Nichts davon wird nötig sein. Kein kindgerechter Diskurs mehr im Kinderzimmer.
So wird Deine Welt schön. Auch wenn die, welche den Putzlappen schwingen, es gar nicht wollen. Die wollen das Gegenteil von dem, was Du willst, lieber Rassist, aber manchmal ist das Gegenteil nur die Rückseite der Medaille.

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