BILD: Pickelhaubenkanzlerin

by | Jul 7, 2015 | Wort & Freiheit | 1 comment

11693942_1600160076913438_7016403640154484365_nNicht nur die Schwalben fliegen hoch unter der brennenden Sonne, heute, am siebten Juli 2015, zweihundertundvier Jahre nach der Niederlage Frankreichs gegen die Truppen Preußens und seiner Verbündeten, nein, auch das deutsche Wesen schraubt sich in den Himmel. Dieses kalte, böse Federvieh, von dem nicht nur die Demokraten hofften, es möge kein Phönix sein. Doch aus der Asche der großdeutschen Herrlichkeit, aus dem Brandrückstand, der Bismarck’schen Politik erhebt sich der Vogel nun wider Einsicht, Vernunft und Anstand.
Die BILD-Zeitung, von der die ÄRZTE richtig singen, sie bestünde aus  Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht, titelt mit der Eisernen Kanzlerin. Einer Merkel mit Pickelhaube.
Das also will der ungebildete, aber oftmals durchaus mit akademischen Meriten ausgestattete Teil der völkischen Rechten und nationalen Konservativen, der Gabriel-SPD, die einschwenken soll auf PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands) und andere Vergangenheitsgespenster, jedenfalls wenn es nach Gabriel, dem Vorsitzenden der SPD, ginge. Da kommt die titelbildende Pickelhaubenkanzlerin schon recht.
Seit Jahren, seit Beginn der sogenannten Griechenlandkrise, die eigentlich eine europäische Krise ist, wird gelogen und betrogen. Die Elite der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Hegemonialstaaten befindet sich in der Tat im Krieg. Da sind zum einen die rechtsradikalen Chauvinisten, wie der Front National in Frankreich oder die AfD in  Deutschland. Da sind aber auch jene Bürger Europas, die sich die neoliberale Sparpolitik nicht mehr gefallen lassen wollen. Es gibt sie in Deutschland und in Spanien, in Portugal und, nunmehr als Regierungspartei in Griechenland. Sie wollen ein anderes Europa. Eines mit humanistischen Werten und Solidarität. Und in der Tat wird offenbar, dass die gegenwärtige Verfasstheit Europas inhumane Resultate zeitigt und entsolidarisierend wirkt.
Man hat den Bürgern hier erklärt, die Griechen erhöben nicht genügend Steuern von ihren Reichen, den Reedern zum Beispiel, aber nicht mitgeteilt, dass die Steuergesetzgebung der deutschen in diesem Falle gleicht. Und Deutschland ist nur ein Beispiel. Würde man die sogenannte Tonnage-Steuer in Griechenland aufheben, zögen die Reeder ein paar Länder weiter. Nach Spanien oder nach Deutschland (zum Beispiel).
Beispiele wie dieses lassen sich für jeden Bereich finden, in denen die EU und die Weltbank von Griechenland Einnahmenerhöhung oder Kostenminimierung fordern.
So beschwert sich der IWF darüber, dass die Militärausgabe zu hoch sind, während zugleich die NATO darauf besteht, dass der Verteidigungsetat nicht angetastet wird. Die Akteure sind im Wesentlichen die gleichen.
Nun also Angela Merkel als Bismarck auf dem Titel der BILD. Die eiserne Kanzlerin. Zugleich verschicken der EU-Parlamentspräsident und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Emser Depesche nach der anderen nach Athen. Man will Reaktionen provozieren. Man will den Knall, die Explosion, man will die unbotmäßigen Griechen einnorden und gefügig machen. Nur darum geht es. Um den Putsch in Griechenland, die Intervention von außen und den Rücktritt der linken Regierung. Das ist eine Politik – in der Tat – wie von Bismarck. Wäre es nicht so abstrus, man könnte meinen, die militärische Intervention als Ultima Ration würde bei manchen schon mitgedacht. Aber abstrus wären mir auch vor 5 Monaten die Handlungen der EU-Gremien erschienen. Es scheint mir sinnvoll nichts mehr auszuschließen.
Nach dem Memorandum, gegen das zu wettern kein noch so dummes Argument ausgelassen wurde, steht die griechische Regierung gestärkt da. Sechzig Prozent der Wahlberechtigten stimmten ab und davon sechzig Prozent wiederum für den Vorschlag der Regierung. Diese Stärkung ist es, die zwar die Idee eines Putsches durch das Militär mit Rückendeckung der EU-Gremium weiterhin abstrus erscheinen lässt, aber nicht völlig verstiegen.
Griechenland ist das Opfer eine völlig verfehlten Vereinheitlichungspolitik des Wirtschaftsraumes Europa. Aber Vereinheitlichung war nie gewollt. Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien hatten niemals ein Interesse daran, ihre, für die anderen Mitgliedsstaaten und auch untereinander ruinöse Außenwirtschaftspolitik, also ihr nationales Interesse einem gemeinsamen Ziel unterzuordnen. Das Lohndumping in Deutschland hat dazu geführt, dass dem Wirtschaftsraum Europa in erheblichem Maße Schaden zugefügt werden. Wir haben die anderen vom Markt geputzt. Zugleich aber wird das vereinte Europa als Ideal gezeichnet.
Was man braucht in Europa ist eine Vereinheitlichung des Fiskalsystems, gleiche Steuern für alle international wirkenden Steuererhebungen, zum Beispiel für Reedereien. Wir brauchen einen Länderfinanzausgleich, der zur Strukturangleichung führt, ein weitgehend gleiches Sozialsystem, das für alle Europäer überall zugänglich ist, nach einer Übergangszeit für bestimmte Länder, bei denen sonst entweder industrielle Einbrüche oder Preisexplosionen zu erwarten sind, einheitliche und hohe Mindestlöhne, ein Flächenstrukturprogramm für ländliche Räume und das Verdorren der Infrastruktur dort zu unterbinden. Für Griechenland brauchen wir sofort einen Schuldenschnitt, wie für Deutschland in den fünfziger Jahren, wir brauchen gezielte Investitionsförderung in die Bereiche medizinische Versorgung, Schulen und Universitäten, Renten und Pensionen, Landwirtschaft und Klein- und mittelständische Betriebe.
Mit medialer Aufrüstung, wie durch die BILD, mit der Übernahme großdeutscher Gedankengänge in die deutsche Europapolitik gefährdet man Europa.
Und man muss im Klaren darüber sein, dass ein wieder zersplittertes Europa eine innereuropäische Kriegsgefahr mit sich bringt. Wenn der imperialistische Block Europa durch die imperialen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ersetzt würde – die Welt würde unsicherer.

1 Comment

  1. Lord Helmchen, wenn schon.

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